• Laufzeit: 09.11.2020 – 30.09.2023
  • Schwerpunkt: Biodiversität
  • Forschungsstatus:  Abgeschlossen

Multifunktionale Versickerungsmulden im Siedlungsraum

Kurzzusammenfassung

In dem interdisziplinären Forschungsprojekt „Multifunktionale Versickerungsmulden im Siedlungsraum“ wurde festgestellt, dass Versickerungsmulden in urbanisierten Gebieten mit einer durchdachten Bepflanzung nicht nur Vorteile für das Regenwassermanagement bringen, sondern wertvolle Flächen im Wildbienenschutz darstellen können. Durch eine heimische und artenreiche Pflanzenauswahl kann ein wertvoller Beitrag für das Bestäubernetzwerk im urbanen Raum geleistet werden, so Konstanze Throm, Patrizia Eben (HSWT) und Prof. Dr. Christoph Moning (HSWT) in einem Zeitschriftenbeitrag in "Anliegen Natur", herausgegeben von der Bayerischen Naturschutzakademie in Laufen. Für einen Großteil der untersuchten, heimischen Pflanzenarten konnte außerdem eine hohe Toleranz gegenüber den typischen Stresseinflüssen einer urbanen Mulde von Trockenheit, Salzeintrag und temporären Einstau nachgewiesen werden, sodass diese für die Verwendung in Versickerungsmulden empfohlen werden. Die gewählten Substratmischungen zeigten gute Rückhalte für verschiedene Stoffe aus Verkehrs-, Kupferdach- und Fassadenabflüssen. Ein negativer Effekt der Bepflanzung auf den Schadstoffrückhalt konnte ausgeschlossen werden.

Die Ergebnisse sind ausführlich in einem Schlussbericht veröffentlicht.

Kurzdarstellung in Posterform

Aufbau einer multifunktionalen Versickerungsmulde (angelehnt an DWA-A 138-1) © P. Eben und P. Stinshoff

Hintergrund und Motivation

Städte erfahren derzeit in ganz Deutschland und auch weltweit ein überdurchschnittliches Wachstum. In zahlreichen Ballungszentren kommt es bereits jetzt zu sehr starken Nachverdichtungen und einer deutlichen Reduzierung innerstädtischer Grünflächen. Damit wird aus wasserwirtschaftlicher Sicht die naturnahe Regenwasserbewirtschaftung vor eine große Herausforderung gestellt. Siedlungstypische Lebensräume werden immer weiter zurückgedrängt und beeinflussen die Biodiversität in Siedlungsräumen negativ. Außerdem nehmen aufgrund des Klimawandels die Häufigkeit, Dauer und Intensität von Wetterextremen wie Starkregenereignisse und Hitzewellen zu und führen zu einer regelmäßigen Überlastung der Kanalisation bzw. der Zunahme von sommerlichem Hitzestress. Hier ist ein städtebaulich-planerisches Umdenken in Richtung einer Infrastruktur erforderlich, die der Hitze- und Starkregenregulation gleichermaßen dient.

Eine ortsnahe Bewirtschaftung von Niederschlagswasser, die Verdunstung, Versickerung und Abfluss des natürlichen Wasserhaushaltes sowie den Rückhalt von Stoffen aus belasteten Niederschlagsabflüssen gleichermaßen berücksichtigt, ist daher für den städtischen Bereich aus wasserwirtschaftlicher und aus stadtklimatischer Sicht zielführend. Als besonders vielversprechend dafür werden begrünte oberirdische Versickerungsmulden erachtet. Diese übernehmen die Funktion einer regulierten Entwässerung der Abflüsse versiegelter Flächen wie Straßen und Dächer, aber auch den Rückhalt ihrer Schadstoffe zum Schutz des Grundwassers.

Versickerungsmulden an sich sind nicht neu, nach DWA Regelwerk DWA-A 138 darf die Oberbodenschicht zur Beibehaltung der Versickerungsleistung jedoch nur einen geringen Humus- und Tongehalt aufweisen und wird daher meistens nur mit einer pflegeleichten Rasensaat begrünt. Sowohl aus Sicht von Wasserspeicherung und Verdunstung als auch zur Verbesserung des Kleinklimas und der Lebensräume für Insekten ist ein Umdenken notwendig. Eine standortgerechte und artenreiche Bepflanzung mit heimischen Stauden und kurzlebigen Arten kann sowohl die Biodiversität erhöhen als auch attraktive Pflanzbilder schaffen, die in der urbanen Gestaltung Akzente setzen und damit auch die Akzeptanz erhöhen.

Die zentrale Herausforderung liegt hierbei in der Zusammensetzung der bewachsenen Bodenzone und einer stresstoleranten Bepflanzung.

Zielsetzung

Ziel des Forschungsvorhabens war die Entwicklung eines multifunktionalen Versickerungssystems mit folgenden Funktionen:

  • ortsnahe Regenwasserbewirtschaftung
  • Hitze- und Starkregenregulation
  • Optimierung der Aufnahmeleistung, Speicherfähigkeit und Entwässerung von Niederschlagswasser
  • Optimierung der Reinigungsleistung des Bodenkörpers
  • Schaffung eines Nahrungs- und Fortpflanzungshabitats für eine Vielfalt an Insekten
  • Zusammenstellung einer artenreichen, stresstoleranten und standortgerechten Bepflanzung
  • attraktive Standortgestaltung

An der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT) lag der Fokus auf der Entwicklung einer vielfältigen Bepflanzung aus heimischen Arten, die den extremen Bedingungen einer urbanen Versickerungsmulde standhält und sich zudem positiv auf das Stadtbild und die Insektenvielfalt auswirkt. Dabei müssen neben klimabedingter Hitze und Dürreperioden auch temporäre Überstauungen nach Starkregenereignissen toleriert werden, ebenso wie hohe Einträge von Streusalz und Schadstoffen aus Verkehrsflächen-, Fassaden- und Dachflächenabflüssen. Beim Kooperationspartner TU München lag die Zielsetzung auf einer optimierten bewachsenen Bodenzone mit Fokus auf Entwässerungssicherheit und Schadstoffrückhalt. Als ergänzende Maßnahme zur Behandlung von Niederschlagsabflüssen wurden im Rahmen des Projektes auch Baumrigolen betrachtet. Da sich bisherige Projekte meist nur mit siedlungswasserwirtschaftlichen oder ökologischen Fragestellungen befassten, war der multifunktionale Ansatz sowie die interdisziplinäre Zusammenarbeit dieses Projektes von großer Relevanz.

Projektdurchführung

Die Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT) führte das Projekt gemeinsam mit der Technischen Universität München (TUM) durch. Kooperationspartner war das Bodeninstitut Johannes Prügl, ein Ingenieurbüro für Boden- und Vegetationstechnik. Eine projektbegleitende Stakeholder-Gruppe aus Betreiber:innen, zuständigen Behörden und ausgewählten Forschungseinrichtungen trug zum Gelingen und vor allem zur Akzeptanz des Projekts bei. Verankert war das Projekt im Zentrum Stadtnatur und Klimaanpassung (ZKS) der TU München, da der wissenschaftliche Austausch zwischen den Disziplinen in Bezug auf Stadtnatur und urbane Klimaanpassung essenziell für das Projekt ist.

Der mehrstufige Forschungsansatz bestand zunächst aus den Arbeitspaketen von Literaturrecherche und Laborversuchen. Darauf aufbauend wurden Versuche auf den Forschungsfreigeländen in Weihenstephan und Garching begonnen, wobei unter anderem Untersuchungen zu Schadstoffrückhalt und Betriebsstabilität verschiedener Substratmischungen durchgeführt wurden. Außerdem wurde die Toleranz heimischer, krautiger Pflanzenarten gegenüber den in Versickerungsmulden üblichen Stresseinflüssen von Trockenheit, temporären Einstau und Salzeintrag untersucht. In einem weiteren Arbeitspaket wurden parallel zu den halbtechnischen Versuchen zwei Pilotprojekte in München und Pfaffenhofen an der Ilm umgesetzt. Hier wurde zudem die Diversität und Abundanz von Bestäubern untersucht.

Halbtechnische Versuche in Weihenstephan © Patrizia Eben
Pilotprojekt in Pfaffenhofen an der Ilm im Juni 2023 © Patrizia Eben
Bestäuber an Allium sphaerocephalon in Pfaffenhofen an der Ilm © Patrizia Eben

Leitfaden

Die aus den Untersuchungen gewonnenen Erkenntnisse wurden in einem Leitfaden mit Handlungsempfehlungen für Betreiber:innen und zuständige Behörden zusammengefasst. Dieser Leitfaden stellt unter anderem die ökologischen und ökonomischen Vorteile und den Unterhaltsaufwand dar und gibt Hinweise zur Planung und praktischen Umsetzung multifunktionaler Mulden. Der Leitfaden wird voraussichtlich im Herbst 2024 auf den Seiten des Landesamtes für Umwelt (LfU) veröffentlicht werden.

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