• Laufzeit: 15.09.2020 – 31.12.2023
  • Schwerpunkt: Ernährung
  • Forschungsstatus:  Abgeschlossen

Reduktion der Lagerverluste bei ökologisch erzeugtem Obst und Gemüse durch ein optimertes Lagermanagement auf Basis von sensorgestützten und adaptiven Modellen zur Prognose der Qualitätsentwicklung und Haltbarkeit (OpLAMa)

Das übergeordnete Ziel des Vorhabens war es, das bisher in der Lagerung von Obst und Gemüse vorherrschende Prinzip „First-In-First-Out“ durch ein intelligentes „First-Expired-First-Out“ abzulösen und die Lagerbedingungen durch eine engmaschige Überwachung zu optimieren. Beide Ziele könnten dazu beitragen, Verluste während der Lagerung von Obst und Ge-müse zu minimieren. Dazu sollte ein innovatives System zur Optimierung des Lagerungsma-nagements insbesondere im Groß- und Zwischenhandel von ökologisch erzeugtem Obst und Gemüse entwickelt werden.

Ablauf des Projekts

Das Projekt wurde mit den vier Modellkulturen Erdbeere, Zucchini, Brokkoli und Karotte durchgeführt und war in zwei Teilaspekte gegliedert. In dem einen Projektteil erfolgte die Ent-wicklung von Kalibrationsmodellen für eine nicht-destruktive Analyse verschiedener wertge-bender Inhaltsstoffe und qualitätsbestimmender sensorischer Eigenschaften mittels Messungen mit Nahinfrarotspektroskopie (NIRS). Dabei wurden keine klassischen Laborspektrometer, sondern handgeführte, kostengünstige Geräte verwendet (Abb. 1).

Abb. 1: NIRS-Messung bei Karotten mit einem handgeführten NIR-Spektrometer

Schwerpunkt im zweiten Projektteil war die Entwicklung von kostengünstigen Sensornetzwer-kenzur Überwachung der Lagerungsbedingungen, insbesondere Temperatur und Luftfeuchte sowie Zusammensetzung der Lageratmosphäre. Im Anschluss an die Entwicklung der Sensornetzwerke wurden Lagerversuche durchgeführt und gezielt einzelne Lagerungsbedingungen variiert. Gleichzeitig wurde die Qualitätsveränderung der gelagerten Produkte ermittelt (Abb. 2).

Abb. 2: Seneszenzsymptome bei Brokkoli bei kühler (links) und warmer (rechts) Lagerung

Ergebnisse

Kalibrationsentwicklung für die Qualitätsbestimmung mittels NIRS

Nutzbare Kalibrationsmodelle für die Kultur Brokkoli ergaben sich für Trockensubstanz, lösli-chen und Gesamt-N-Gehalt sowie deren Quotienten (Abb. 3). Die besten Ergebnisse wurden mit der Kombination aus erster Ableitung und nachfolgender Streulichtkorrektur erzielt. Die Modelle sind mit RER-Werten (Verhältnis der Spannbreite der Referenzwerte im Validierda-tensatz zum RMSEV) um den Wert sieben jedoch nur für eine grobe Klassifizierung geeignet. Bei den Stickstoffparametern zeigten die Modelle größere Abweichungen im unteren Wertebereich, was auf die ungleiche Datenverteilung (Häufung im unteren Bereich) zurückzuführen sein könnte.

Abb. 3: Kalibrationsmodelle für [a] die Trockensubstanz, [b] das Verhältnis von Nlösl zu N-Gesamt, [c] Nlösl und [d] N-Gesamt bei Brokkoli aufgeteilt für den Kalibrier- und den Validierdatensatz (n = Anzahl Proben im Ka-librier-/Validierdatensatz, Rcal²/R

Bei den Erdbeeren konnten für die Trockensubstanz und die Summe der löslichen Feststoffe (Brix-Wert, ausgedrückt als g Saccharose je kg Trockensubstanz) einigermaßen zufriedenstellende Kalibrationsmodelle erstellt werden. Die besten Vorhersagemodelle wurden dabei mit der ersten Ableitung erzielt. Die RER-Werte liegen für beide Parameter bei 10 bis 11 und wä-ren für eine Klassifizierung oder ein grobes Screening geeignet. Die RPD-Werte liegen bei 2,0 für Trockensubstanz und 1,8 für die löslichen Feststoffe, was auf eine sehr schwache Vorhersageleistung hinweist. Dabei ist jedoch die sehr ungleichmäßige Verteilung der Werte zu berücksichtigen. Für die Versuchskulturen Karotte und Zucchini konnten keine nutzbaren Kalibrationsmodelle erstellt werden.

Entwicklung eines Sensornetzwerks

Der (mobile) Sensorknoten (Abb. 4) besteht aus einer Zentralplatine und einer Sensorplatine, die über eine 14-polige IDC-Buchse verbunden sind. Die Zentralplatine enthält einen ESP8266-Mikrocontroller (Wemos D1 Mini Pro), der eine drahtlose Datenübertragung ermöglicht und gegenüber AVR-Mikrocontrollern eine höhere Rechenleistung bei geringerem Ener-gieverbrauch bietet. Ein 4000 mAh Lithium-Polymer-Akku versorgt den Knoten mit Strom, wobei die Ausgangsspannung durch einen Step-Up-Wandler auf 5 V angehoben wird und der TC4056A-Laderegler das Laden verwaltet. Die Zentralplatine schaltet die benötigten Aus-gangsspannungen über Reed-Relais zur Sensorplatine, was den Stromverbrauch optimiert. Ein Schieberegister speichert die Schaltzustände der Relais, um unerwünschte Schaltungen beim Aufwachen des ESP8266 aus dem Deep-Sleep-Modus zu vermeiden.

Abb. 4: Schaltplanentwürfe und Platinenlayout in KiCad 6.0 der Zentralplatine (A und B) sowie der Sensorplatine (C und D) sowie Sensorknotenprototyp mit Gehäuse (voll ausgestattete Sensorplatine montiert mit Schutzkäfig)

Die Zentralplatine des Moduls bietet vier physikalische Schnittstellen zur Anbindung von Sen-soren: zwei digitale und zwei analoge. Für die digitale Kommunikation stehen ein I²C-Bus (SM-Bus kompatibel) und ein asynchroner serieller Bus (1-Draht-Bus) zur Verfügung. Analoge Signale können über zwei 4-20 mA-Stromschleifen, die einem weit verbreiteten Industriestandard entsprechen, sowie über zwei analoge Spannungseingänge im Bereich von 0-1 V erfasst werden. Sie werden mithilfe eines 4-Kanal, 16-Bit A/D-Wandlers (ADS1115) digitalisiert und über den I²C-Bus übertragen (Abb. 5).

Abb. 5: Verfügbare Schnittstellen zur Kommunikation zwischen Mikrocontroller und Sensoren

Die Sensormodule bilden zusammen mit einem Mastermodul (ESP32 LoRa) ein drahtloses Sensornetzwerk. Der Nutzer konfiguriert die Sensoren und Messintervalle an einem Endgerät, von dem aus die Einstellungen an die Sensormodule übermittelt werden. Nach der Konfigura-tion führen die Sensormodule eigenständig die Messungen durch und senden die Daten an das Mastermodul. Die Kommunikation zwischen Sensor- und Mastermodul erfolgt über das ESP-WIFI-MESH-Protokoll, das selbstbildende und -heilende Netzwerke mit bis zu 1.000 Sensorknoten ermöglicht. Das Mastermodul kann die Daten je nach den Bedingungen am Aufstellungsort entweder lokal über eine serielle Schnittstelle bzw. Bluetooth an einen PC übertragen, per WLAN direkt in einer SQL-Datenbank speichern oder über LoRa an ein weiter entferntes Gateway senden. Alternativ wäre auch die Verwendung eines GSM-fähigen ESP32-Boards und die Übertragung über das Mobilfunknetz möglich.

Einen insbesondere für Logistiküberwachung interessanten Ansatz ergab die Kombination der Lufttemperatur- und -feuchtemessung mit dem BME und der Messung der Oberflächentempe-ratur mittels des MLX90614. Beim Transport von Erdbeeren sind Temperaturwechsel von kalt nach warm besonders kritisch. Solche Wechsel können zu Taupunktunterschreitungen an der Fruchtoberfläche führen, wenn die Temperatur der Erdbeeren niedriger ist als die der umge-benden Luft. Dies führt zur Bildung von Kondenswasser auf den Früchten. Abb. 4 zeigt, dass dieser Vorgang mit dem Sensorknoten sehr gut erfasst werden kann. Während die Lufttempe-ratur direkt nach der Unterbrechung der Kühlkette stark ansteigt, ist bei den Erdbeeren eine deutliche Verzögerung zu erkennen. Etwa 30 Minuten nach der Unterbrechung besteht bei sehr kühler Lagerung eine negative Temperaturdifferenz von 16,5 °K zwischen den Früchten und der umgebenden Luft. Dies würde im konkreten Fall (Auslagerung von bei 1 °C gelagerten Früchten bei einer Außentemperatur von 22 bis 25 °C) bereits bei einer relativen Luftfeuchte von 55 bis 60 % eine Taupunktunterschreitung an der Fruchtoberfläche und damit die Bildung von Kondenswasser bedeuten. Wenn die Erdbeeren relativ warm bei 10 °C gelagert werden, läge die kritische Grenze immer noch bei einer relativen Luftfeuchte von etwa 75 %.

Für die Ethen-Messungen im Projekt wurden feucht-elektrochemische Sensoren (E2618-C2H4) eingesetzt. Diese sind aufgrund ihres Preises (ca. 750 €), ihrer geringen Lebensdauer (ca. 2-3 Jahre), und der häufigen Rekalibrierungsintervalle (alle 6 Monate) nicht für den Ein-satz in dichten Sensornetzwerken geeignet. Zusätzlich haben sie einen hohen Energiever-brauch und lange Einschaltzeiten, was einen Akkubetrieb ausschließt. Als Alternative wurde ein Array aus kostengünstigen Metalloxid(MQ)-Sensoren erprobt. Diese gibt es günstig (1 bis 3 €/Sensor) zur Detektion von verschiedenen Gasen, jedoch mit einer geringen Spezifität. Im Projekt wurden neun MQ-Sensoren (MQ2-9 und MQ135) auf ihre Eignung zur Ethen-Erfassung getestet. Dazu wurde eine "Apfel-Atmosphäre" und ein Ethen-Luft-Gemisch in einer Mischkammer erzeugt. Nach 10 Minuten Einlaufzeit wurde das Sensorarray erst mit der Apfel-Atmosphäre und nach weiteren 35 Minuten mit 6 ppm Ethen durchströmt. Alle Sensoren rea-gierten auf die Apfel-Atmosphäre, wobei MQ2 bis MQ4 am stärksten reagierten. Bis auf MQ3 und MQ135 zeigten alle Sensoren schnelle und deutliche Reaktionen auf 6 ppm Ethen.

Basierend auf diesen Ergebnissen konnte mit den Sensoren MQ2 und 4 gezeigt werden, dass eine Quantifizierung der Ethenkonzentration im physiologisch interessanten Bereich möglich ist. Notwendig hierfür sind allerdings komplexe Kalibriermodelle in denen Störungen durch andere Gase bzw. Gasgemische berücksichtigt werden. Weitere Untersuchungen sind daher notwendig, um geeignete Sensorkombination zu finden, die verlässlich die geringe Spezifität ausgleichen. Insgesamt könnte der Einsatz von MQ-Sensoren jedoch eine erhebliches Opti-mierungspotential für das Lagermanagement ergeben, insbesondere da angesichts der gerin-gen Kosten der Sensoren engmaschige Ethenwarnnetze umsetzbar wären.

Lagerversuche

Für die Durchführung der Lagersuche wurden die Versuchslager der HSWT genutzt, bei denen Temperatur, Lageratmosphäre und in begrenztem Umfang die Luftfeuchte gesteuert wer-den kann. Interessante Ergebnisse aus diesem Projektteil ergaben sich vor allem für die Modellkulturen Brokkoli und Karotte. Bei den Kulturen Zucchini und Erdbeere traten deutliche Veränderungen in den gewählten Inhaltsstoffen erst auf, als bereits äußerlich sichtbare Quali-tätsmängel erkennbar waren. Dies wurde durch Beobachtungen im Rahmen der Qualitätsbestimmung mittels NIRS bestätigt.

Die Lagerungsversuche mit Karotten fokussierten sich insbesondere auf den Einfluss von Ethen (in Kombination mit der Lagertemperatur) auf die Qualitätsentwicklung. Positiv wirkte sich das Reifegas dabei auf den Neuaustrieb bei den Karotten aus. Dieser wird, wie in Abb. 6 zu erkennen ist, deutlich reduziert.

Abb. 6: Intensität der Bildung von Neuaustrieben an den Karotten in Abhängigkeit von der Ethenkonzentration in der Lageratmosphäre sowie der Lagertemperatur und -dauer in Wochen; das Foto links zeigt das ange-legte Boniturschema)

Durch die Induktion der Bildung von Bitterstoffen, kann sich Ethen jedoch negativ auf den Ge-schmack auswirken. Um diesen Aspekt zu erfassen, wurde zusätzlich zu den Inhaltsstoffana-lysen eine sensorische Qualitätsprüfung (Verkostung) durchgeführt. In mehreren Versuchen konnte gezeigt werden, dass sich eine steigende Lagertemperatur in Verbindung mit Ethen negativ auf die geschmackliche Qualität, insbesondere durch einen zunehmend bitteren Ge-schmack, auswirkt.

Als Indikator für die Bitterstoffbildung, die analytisch nur mit großem Aufwand messbar ist, könnte die antioxidative Kapazität nach Briggs-Rauscher dienen, die parallel zur Zunahme des Bittergeschmacks anstieg.

Auch bei Brokkoli konnte ein Anstieg der antioxidativen Kapazität im Laufe der Lagerzeit fest-gestellt werden. Zudem zeigte sich während der Lagerung eine Verschiebung des organi-schen Stickstoffs von der wasserunlöslichen hin zur wasserlöslichen Fraktion. Diese Verände-rung ging einher mit einem Rückgang der Chlorophyll-Gehalte und trat bereits ein, bevor an den Köpfen äußerlich Seneszenz-Symptome sichtbar wurden.

Insgesamt ist bei sowohl Karotte als auch Brokkoli mit zunehmender Lagerdauer ein Anstieg der antioxidativen Kapazität zu beobachten. Dies kann als Reaktion der Pflanze auf den wachsenden oxidativen Stress während der Lagerung interpretiert werden und wird durch un-günstige Lagerbedingungen wie höhere Temperaturen und das Vorhandensein von Ethen beschleunigt. Dieser Parameter könnte daher interessante Ansätze für die Bewertung der Haltbarkeit sowie die Beurteilung der Qualität ergeben. Als weiteren Indikator für die Quali-tätsbestimmung eignet sich Brokkoli, das Verhältnis des löslichen Stickstoffs zum Gesamt-stickstoff. Allerdings konnte die Antioxidative Kapazität mittels NIRS nicht zufriedenstellend bestimmt werden. Andererseits ist nass-chemische Bestimmung der antioxidativen Kapazität auch mit geringem instrumentellen Aufwand möglich.

Ausblick

Die im Projekt gewonnenen Erkenntnisse – insbesondere die entwickelten Technologien und Verfahren – sind aktuell noch nicht reif für den Praxiseinsatz. Aber sie bieten eine Reihe interessanter Ansätze für Weiterentwicklungen zur Optimierung des Lagerungsmanagements insbesondere im Groß- und Zwischenhandel sowie auf dem Transportweg. Dies gilt insbesondere für die kostengünstigen Sensorknoten auf Grundlage von Mikrokontrollern, da diese für Jedermann erhältlich sind und mit etwas technischem Geschick kostengünstige und gleichzeitig sehr betriebsindividuelle Lösungen selbst entwickelt werden können. Auch die Nutzung von relativ kostengünstigen handgeführten NIR-Spektrometern könnte zukünftig für die Praxis interessant sein, wenngleich die Genauigkeit vermutlich nie über eine Klassifizierung hinausreichen wird. Aber zumindest eine Abschätzung der internen Qualität sollte damit möglich sein. Davor muss aber vor allem die Robustheit der Kalibriermodelle durch eine Vergrößerung des Datensatzes noch gesteigert werden.

Publikationen

  • Anderson Weber, Fabio Rodrigo Thewes, Marc Sellwig, Auri Brackmann, Prof. Dr. Jens Norbert Wünsche, Prof. Dr. Dominikus Gregor Kittemann, Dr. Daniel Neuwald

    • Berechtigungen:  Open Access
    • Berechtigungen:  Peer Reviewed

    Dynamic controlled atmosphere: Impact of elevated storage temperature on anaerobic metabolism and quality of ‘Nicoter’ apples (2019) Food Chemistry 298 , S. 1-10. DOI: 10.1016/j.foodchem.2019.125017

    The aim of the study was to evaluate an elevated (3.0 °C) and low (1.0 °C) storage temperature combined with dynamic controlled atmosphere monitored by respiratory quotient (DCA–RQ) and chlorophyll fluorescence (DCA–CF) on anaerobic metabolism, physiological storage disorders and overall quality of ‘Nicoter’ (‘Kanzi®’) apples after 5.5 and 8.0 months of storage plus 7d shelf-life. Fruit stored under DCA–RQ 2.0 accumulated the highest amounts of anaerobic metabolites (acetaldehyde, ethanol and ethyl acetate), regardless of storage temperature and timing of storage outturn evaluation, but it did not result in higher electrolyte leakage. Flesh breakdown, core breakdown and cavity formation were reduced at 3 °C. Storage at 3 °C combined with DCA maintained higher flesh firmness after 8.0 months storage plus 7d shelf-life. ‘Nicoter’ apples can be stored at 3 °C using a DCA system, based either on CF or on RQ, to save electrical energy.

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