• Duration: 01.07.2024 – 30.06.2026
  • : Nutrition

Zukunftsperspektiven für eine nachhaltige Öko-Rindfleischproduktion auf bayerischen Grünlandstandorten

Fleckvieh-Mastrinder aus der ökologischen Milchviehhaltung © Theresa Hautzinger

Problemstellung und Lösungsansätze

Ziel des Projektes ist die Weiterentwicklung der ökologischen Rindermast in Bayern mit Fokus auf ein tierwohlorientiertes, praktikables und nachhaltiges Gesamtkonzept, insbesondere für die bayerischen Grünlandstandorte.

Kälber aus der Öko-Milchviehhaltung sollen in der Bio-Wertschöpfungskette in Bayern verbleiben und mit möglichst geringer Konkurrenz zur menschlichen Ernährung ausgemästet werden.

Aussteigenden Milchviehbetrieben sollen mit Hilfe praktikabler Umbaulösungen und bisher wenig verbreiteten und erforschten Produktionsverfahren zukunftsfähige Perspektiven aufgezeigt werden, um nicht gänzlich die Tierhaltung aufgeben zu müssen.

Dadurch können bestehende Gebäude sinnvoll (um-)genutzt werden und wertvolles Kulturland erhalten bleiben. Zusätzlich soll der Nutzen von grünlandbasierter Rinderernährung im Hinblick auf Tierwohl und Tiergesundheit aber auch auf Lebensmittelkonversionseffizienz und Nahrungsmittelkonkurrenz zur menschlichen Ernährung untersucht werden.

Teilziele des Vorhabens

Arbeitspaket 1: Erarbeitung von Lösungsansätzen für die regionale und ökologische Aufzucht und Mast von Kälbern bzw.Rindern aus der Öko-Milchviehhaltung


a)Beschreibung von Ammenaufzuchtverfahren (am nicht melkenden Betrieb) und Weidemastverfahren vonabgesetzten Öko-Milchviehkälbern anhand modellhafter Betriebe
b)Aufzeigen von kostengünstigen und in der Praxis umsetzbaren Stallumbaulösungen für die o.g.Produktionsverfahren (bspw. vom Anbindestall zur Ammenaufzucht am nicht melkenden Betrieb)


Arbeitspaket 2:Tiergesundheit, Tierwohl und Nachhaltigkeitsaspekte von grünlandbasierter Rindfleischproduktion


a)Literaturauswertung zu Tiergesundheits- und Tierwohlparametern bei Weidemastrindern und derenSchlachtkörper
b)Bewertung der bayerischen grünlandbasierten Rindfleischproduktion anhand etablierterNachhaltigkeitsindikatoren (z.B. Ackerflächenbedarf, Lebensmittelkonversionseffizienz)


Arbeitspaket 3: Wissenstransfer und modellhafte Wertschöpfungsketten für Fleisch aus der Öko-Milchviehhaltung


a)Transfer der gewonnenen Erkenntnisse in die landwirtschaftliche Praxis und Beratung
b)Ermittlung von Potentialen für neue Wertschöpfungsketten von Bio-Rindfleisch basierend auf der Öko-Milchviehhaltung
c)Entwicklung und Verbreitung eines Kriterienkatalogs für Qualitätsfleischprogramme aus der Öko-Milchviehhaltung in Bayern
d)Verbreitung von Informationen über Zusammenhänge der Milch- und Fleischerzeugung entlang derWertschöpfungskette mit dem Ziel Marktakteure stärker zu vernetzen und Verbraucher:innen bei derKaufentscheidung zu unterstützen


Arbeitspaket 4: Erarbeitung konsumentenbezogener Entscheidungsfaktoren für den Kauf von Bio-Rindfleisch


Darstellung des derzeitigen Kenntnisstandes

Auswertungen im Rahmen des „mehrWERT Öko-Milch + Fleisch“ Projektes zeigen, dass es einen massiven Mangel an Öko-Mästern und ökologischen Mastplätzen für Kälber aus der ökologischen Milchviehhaltung gibt. In rund 3.000 ökologischen Milchviehbetrieben stehen ca. 110.000 Milchkühe (Statistisches Bundesamt 2021) mit einer durchschnittlichen Zwischenkalbezeit von 398 Tagen (LKV Bayern 2021). Bei einer veranschlagten Remontierungsrate von 25% fallen jährlich ca. 82.200 Öko-Kälber in Bayern an. Die überwiegende Mehrheit dieser nicht für die Nachzucht benötigten Kälber geht deutschlandweit (EU-weit) in die konventionelle Mast, da der Absatz an Bio-Rindfleisch schlichtweg fehlt. Für eine Steigerung dieses Absatzes mit entsprechend hoher Qualität im gesamten Haltungs-, Herstellungs- und Verarbeitungsprozess braucht es fundierte und schlagkräftige Argumente. Bei der Produktion von 1 l Bio-Milch entstehen ca. 25 g Rindfleisch als Koppelprodukt, die auch verzehrt werden müssten (Mück 2020). Aber auch der tierwohlbezogene Zusatznutzen einer kuhgebundenen Kälberaufzucht wurde bereits beleuchtet. So fanden erste Analysen im Rahmen des Projektes „mehrWERT Öko-Milch + Fleisch“ Projekt, sowie im Milk&Calf Projekt des Thünen Institut, im WertKalb Projekt der Universität Hohenheim, im Praxisleitfaden zur kuhgebundenen Kälberaufzucht in der Milchviehhaltung von Bioland / Thünen Institut oder im Projekt ProYoungstock des FiBL statt.


In diesem Forschungsvorhaben soll Literatur zu Tiergesundheits- und Tierwohlparametern bei unterschiedlichen Mastverfahren zusammengetragen und ausgewertet werden. Insbesondere für grünlandbasierte und kraftfutterarme/kraftfutterfreie Fütterungstrategien werden positive Effekte erwartet. Diese wurden bisher überwiegend bei Milchkühen mit Weidegang untersucht. Bisherige internationale Forschungsergebnisse zeigen, dass Kühe mit Weidehaltung u.a. weniger von Lahmheiten, Klauenerkrankungen und Sprunggelenksläsionen betroffen sind. Zudem weisen sie verbesserte Liege-/ Ruhezeiten und -synchronität auf (Arnott et al. 2017, Olmos et al. 2009). Potentielle Problembereiche der Weidehaltung können hinsichtlich einer negativen Energiebilanz sowie Ekto- und Endoparasitenbefall entstehen (Arnott et al. 2017). In einem Projekt des Thünen Instituts wurden weidegemästete männliche Milchviehkälber hinsichtlich ihrer Labmagengesundheit untersucht. Der Großteil der Labmägen wies nicht-perforierende Läsionen leichter Ausprägung auf (Simon et al. 2022).


Ertl et al. (2016) kalkulierten modellhaft für verschiedene tierische Produktionsverfahren die Parameter Lebensmittelkonversionseffizienz (LKEProtein), Proteinqualitätsverhältnis (PQV), LKEProteinxPQV sowie die Flächenbeanspruchung. Die Werte für die konventionelle, maissilage- und kraftfutterbasierte Rindermast fielen dabei relativ ungünstig aus. Die Autoren stellten jedoch fest, dass die Werte mit zunehmenden Anteilen an Grünland und somit der Umwandlung von potentiell für den Menschen nicht oder nur schwer nutzbaren Protein- und Energiequellen deutlich besser ausfallen können. Diese Aussage und die Schwankungsbreite der Werte hinsichtlich unterschiedlicher Rindermastsysteme wurde bei Steinwidder et al. (2017) eindrucksvoll bestätigt. Eine tendenzielle Übertragbarkeit der Ergebnisse für Bayern ist naheliegend, sollte aber durch konkrete eigene Erhebungen zusätzlich untermauert und ggf. um weitere Parameter erweitert werden.
Steinwidder et al. (2019a und 2019b) beschreiben zudem, dass sich auch mit der Zweinutzungsrasse Fleckvieh eine grünlandbasierte und kraftfutterfreie Mast mit akzeptablen Tageszunahmen und Schlachtleistungsmerkmalen umsetzen lässt. Zu ähnlichen Ergebnissen kamen auch Bellof et al. (2012) bei einer stark kraftfutterreduzierten und ebenfalls grünlandbasierten Mast mit Ochsen der Rassen Fleckvieh und Deutsch-Holstein. Hierbei konnte zudem ein positiver Effekt auf das Fettsäuremuster im Körperfett der so gemästeten Tiere analysiert werden.


Laut InVeKos-Datenbank gab es im Jahr 2020 nur 163 spezialisierte Öko-Rindermastbetriebe in Bayern. Diese Tatsache verdeutlicht, dass für eine nennenswerte Ausweitung der Öko-Rindermast in Bayern zwingend zusätzliche Mastplätze geschaffen werden müssen. Gleichzeitig sind die Produktionskosten oftmals sehr hoch (Kiefer und Weiß 2016), wodurch die notwendigen Investitionskosten in Stallneubauten in den meisten Fällen nicht rentabel sind und nur eine kostengünstige Umbaulösung für bestehende Wirtschaftsgebäude ökonomisch sinnvoll wäre. Ein kürzlich abgeschlossenes Projekt in Österreich hat sich mit Stallumbaulösungen für Berg-Milchviehbetriebe beschäftigt und eine entsprechende Beratungsunterlage herausgegeben (Landwirtschaftskammer Österreich 2022). Ebenso gibt es Vorarbeiten der LfL im Bereich der Umnutzung von Anbindeställen hin zu kleinen Laufställen (LfL-Information Kleine Milchviehbetriebe 2013 und Tagungsband LfL-ILT-Jahrestagung Milchviehhaltung mit Zukunft 2022). Für Ammenaufzucht bzw. Mastställe ist eine ähnliche Publikation noch nicht verfügbar und soll deshalb Gegenstand des Forschungsprojektes sein.

Kaufkriterien von Bio-Rindfleisch
Im aktuellen Forschungsstand wird eine breite Gruppe potenzieller Faktoren für den Kauf von tierischen Bioprodukten angegeben. Die benannten Merkmale bilden sowohl die Erzeugung (z.B. Fütterung, Haltung, Verarbeitung) als auch das Produkt (Produktart, Preis, Label) ab (Schäufele & Hamm, 2017; Stolz, 2011). Darüber hinaus werden normative Kaufmotive von Bio-Lebensmitteln (z.B. Unterstützung von Tierschutz, Streben nach Nachhaltigkeit, persönliche Gesundheit) benannt (Brummer & Zander, 2020).


Pricing von Bio-Rindfleisch
Studien zur Preispolitik bei Bio-Lebensmitteln zeigen, dass sich der Fachhandel im Wesentlichen an Produktions- und Vermarktungskosten orientiert, während im normalen Lebensmitteleinzelhandel die Marken- und Sortimentspolitik eine stärkere Rolle spielen, der meist Handelsmarken zugrunde liegen (Bodenstein & Spiller, 2001; Spiller, 2001). Weitere preisrelevante Produktkomponenten ergeben sich aus der Bündelung, z.B. mit nachhaltigen Verpackungen, hochwertigeren Inhaltsstoffen bei weiterverarbeiteten Produkten oder einer Zertifizierung. Die Nutzeninkremente dieser Faktoren und damit die erzielbaren Konsumentenpreise wurden bislang für Rindfleisch nicht systematisch erforscht. Insgesamt ist eine schwache und eher veraltete Studienlage zu den Kaufmotiven (Konsumenten) oder Vermarktungs- und Pricingstrategien von Bio-Rindfleisch zu konstatieren.

Literatur:
Arnott G., Ferris C.P. and O´Connel N.E. (2017): Review: welfare of dairy cows in continuously housed and pasture-based production systems. In: Animal (2017), 11:2, pp 261–273
Bellof G., Schmidt E. und Weindl P. (2012): Weideochsenmast zur Erzeugung und Vermarktung von Rindfleisch mit erhöhten Gehalten an Omega-3-Fettsäuren und konjugierten Linolsäuren („Functional Food“). Schlussbericht.
Bodenstein, G., & Spiller, A. (2001). Preispolitik und Preisbereitschaft bei ökologischen Lebensmitteln. In Nachhaltiger Konsum: Forschung und Praxis im Dialog. (S. 189-207.).
Brummer, N., & Zander, K. (2020). Attitudes of young adults towards organic food – an online mixed methods studyEinstellungen junger Erwachsener zu Bio-Lebensmitteln – Eine Online-Mixed-Methods-Studie. doi.org/10.15203/OEGA_29.14
Ertl P., Knaus W. and Zollitsch W. (2016): An approach to including protein quality when assessing the net contribution of livestock to human food supply. Animal 10, Issue 11.
Kiefer L. und Weiß D. (2016): Bio-Kälberaufzucht für die Nachzucht und Rindermast. Leitfaden.
Landwirtschaftskammer Österreich (Hrsg.) (2022): Innovative Baulösungen für Berg-Milchviehbetriebe im Rahmen des EIP-Projektes Berg-Milchvieh.
LfL-Information (2013): Kleine Milchviehbetriebe
LfL-ILT-Jahrestagung (2022): Milchviehhaltung mit Zukunft. Tagungsband
LKV (2021): Leistungsprüfung und Beratung in der Milchviehhaltung in Bayern 2021.
Mück U. (2020): Nur mit Fleisch: Grünland nutzen und erhalten. In: Lebendige Erde 6-2020.
Olmos G., Boyle L., Hanlon A., Patton J., Murphy J.J. und Mee J.F. (2009): Hoof disorders, locomotion ability and lying times of cubicle-housed compared to pasture-based dairy cows. Livestock Science 125 (2009) 199–207.

Reiber C., Wollmeister M., Sommer T. und Chagunda M.G.G. (2020): Status quo und Determinanten der Kälbervermarktung von ökologischen und konventionellen Milchviehbetrieben in Baden-Württemberg. In: Züchtungskunde. 92. 320-338.
Schäufele, I., & Hamm, U. (2017). Consumers’ perceptions, preferences and willingness-to-pay for wine with sustainability characteristics: A review. Journal of Cleaner Production, 147, 379–394. doi.org/10.1016/j.jclepro.2017.01.118
Simon G., Hillmann E. und Barth K. (2022): Gesündere Labmägen bei Weidemast – Untersuchungen an männlichen Milchviehkälbern. Im Tagungsband der Internationalen DVG Tagung zum Thema Tierschutz 2022.
Spiller, A. (2001). Preispolitik für ökologische Lebensmittel: Eine neo-institutionalistische Analyse.
Statistisches Bundesamt (Destatis) (2021): Betriebe mit ökologischem Landbau,Landwirtschaftszählung 2020. S. 76
Steinwidder A., Ertl P., Guggenberger T., Häusler J. und Starz W. (2017): Analysen zur Netto-Lebensmitteproduktion und zum Ackerflächenbedarf von Rindermastsystemen. In: Züchtungskunde 89. 205-218.
Stolz, H. (2011). Consumer attitudes towards organic versus conventional food with specific quality attributes [Kummulativ, University of Kassel]. www.tandfonline.com/doi/full/10.1016/j.njas.2010.10.002

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